Kritik
Als die gebürtige Polin Marie Skłodowska (Rosamund Pike) Ende des 19. Jahrhunderts nach Paris kommt, um sich dort wissenschaftlichen Studien zu widmen, hat sie es alles andere als leicht. Frauen werden grundsätzlich in dem Feld nicht ernstgenommen, Geist und rationales Denken sind Männersache – so die gängige Ansicht. Zudem ist sie alles andere als diplomatisch, legt sich regelmäßig mit ihren Kollegen an und zieht dadurch bei den Förderungen immer den Kürzeren. Das ändert sich erst, als sie Pierre Curie (Sam Riley)über den Weg läuft, der ihr eine Zusammenarbeit vorschlägt. Die ist außerordentlich erfolgreich, gemeinsam machen sie bahnbrechende Entdeckungen im Bereich der Radioaktivität. Doch auch privat kommen sie sich näher – was nicht immer von Vorteil ist …
Gleichberechtigung für Mann und Frau im beruflichen Umfeld, das bedeutet mehr, als nur die noch immer vorhandenen Diskrepanzen bei der Bezahlung zu beseitigen oder dass sexuelle Übergriffe ein Ende finden. Es bedeutet auch, Qualifikationen von der Geschlechterfrage zu trennen und Berufe nicht auf alte Rollenbilder auszurichten. Eine, die in dieser Hinsicht immer wieder gerne zitiert wird, ist Marie Curie. Während inzwischen zumindest teilweise Frauen auch in naturwissenschaftlichen Gebieten angekommen sind, gilt sie nach wie vor das Vorzeigebeispiel schlechthin. Sie war die erste Frau, die einen Nobelpreis erhielt, der erste Mensch überhaupt, der gleich zweimal gewürdigt wurde. Kein Wunder also, dass sie immer wieder zum Thema von Filmen wird, die ihre besondere Leistung hervorheben.
Altes und Neues
Der neueste Beitrag hierzu lautet Marie Curie – Elemente des Lebens, der letztes Jahr auf dem Toronto International Film Festival Premiere feierte und nun nach der Corona-bedingten Verschiebung doch noch den Weg zu uns findet. Hat sich das Warten gelohnt? Braucht es überhaupt einen neuen Film über eine Person, die schon so oft thematisiert wurde? So ganz eindeutig ist diese Frage nicht zu beantworten. Teilweise hält sich das Drama an das Bekannte, sowohl inhaltlich wie auch inszenatorisch. Teilweise versucht man hier aber auch, gezielt eigene Wege zu gehen und etwas anderes zu bieten als ein herkömmliches Biopic. Das ist durchaus interessant, in der Mischung aber nicht immer ganz rund.
Auffallend ist beispielsweise die äußerst verspielte Natur des Films. Da wird schon mal munter durch die Zeit gesprungen und mittels Parallelmontagen Gegenwart und Zukunft miteinander verschmolzen. An anderen Stellen bekommt Marie Curie – Elemente des Lebensauch eine märchenhafte Note. Das liegt einerseits sicher an der Vorlage, basiert das hier doch auf einer Graphic Novel von Lauren Redniss. Aber auch Regisseurin Marjane Satrapi (Persepolis) ist dafür bekannt, gerne mal eine eigene Form der Realität aufzumalen und das Besondere im Alltag zu suchen. Dies bei einem Biopic zu tun, ist unerwartet, wird dort doch meistens der Eindruck erweckt, man würde eine absolut wahre Geschichte erzählen. Das Problem ist dabei weniger, dass der Film hier so eigen ist, als dass er diese Mittel nicht konsequent einsetzt. Anstatt diese Richtung wirklich durchgängig einzuschlagen, gibt es nur kurze Einschübe – die mehr irritieren, als dass sie etwas bringen würden.
Der Spaß am Skurrilen
Aber auch die inhaltlichen Freiheiten bei der Umschreibung und Anpassung von Curies Lebensgeschichte dürfte für etwas Verwunderung sorgen, wenn nicht gar Ärgernis. Gerade bei Persönlichkeiten, die so viel geleistet haben und so außergewöhnlich waren, gibt es keinen wirklichen Grund, dann später noch was umdichten zu wollen. Da sollte man doch so selbstbewusst sein und einfach mal der realen Vorlage vertrauen, selbst wenn die weniger dramatisch gewesen ist. Gerade bei der Beziehung zwischen Marie und Pierre ließ man der eigenen Fantasie freien Lauf, um stärker mit Konflikten arbeiten zu können. Die sind amüsant, gerade auch weil Rosamund Pike (Gone Girl – Das perfekte Opfer) mit Freude die Rolle der herablassenden, weltfremden Denkerin spielt. Aber manchmal eben übertrieben.
Ohnehin: Die Besetzung ist erstklassig, die Ausstattung ebenso, trifft die Balance aus Zeitkolorit und modernem Sendungsbewusstsein. Denn am Ende will Satrapi ja verdeutlichen, wie einflussreich Curie ist, bis heute, wie viel ihre Entdeckungen mit sich brachten – von kurios bis zu erschreckend. Das lässt man sich dann gern gefallen, als kleine Reise in die Vergangenheit nebst Besichtigung einer berühmten Persönlichkeit. Wer ganz neu im Thema ist, kann sich hiervon bezaubern und inspirieren lassen, manchmal auch nur unterhalten. Das Ergebnis ist jedoch mit Sicherheit nicht so eindrucksvoll wie die hier verehrte Frau, die bei ihrer Arbeit doch fokussierter vorging, als man es bei der etwas überladenen Hommage tat.
Credits
OT: „Radioactive“
Land: UK
Jahr: 2019
Regie: Marjane Satrapi
Drehbuch: Jack Thorne
Vorlage: Lauren Redniss
Musik: Evgueni Galperine,Sacha Galperine
Kamera: Anthony Dod Mantle
Besetzung: Rosamund Pike, Sam Riley, Anya Taylor-Joy, Aneurin Barnard, Simon Russell Beale
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